Dokumentation über Sally Ride: Eine Pionierin im Schatten der Zurückhaltung

Die neue Dokumentation „Sally“ beleuchtet das beeindruckende Leben von Sally Ride, der ersten US-amerikanischen Frau im All. Trotz der Bedeutung ihrer Geschichte bleibt der Film in seiner Umsetzung überraschend zurückhaltend – inhaltlich informativ, aber stilistisch konventionell.
Sally Ride, die 2012 verstarb, war eine mutige und entschlossene Persönlichkeit, die Barrieren durchbrach und zur Ikone wurde. Doch der Film von Cristina Costantini schafft es nicht, diesen Pioniergeist visuell oder erzählerisch in voller Stärke zu transportieren. Stattdessen präsentiert sich „Sally“ als klassisch geschnittene Biografie, in der der außergewöhnliche Charakter seiner Protagonistin oft im Kontrast zur konservativen Inszenierung steht.
Ein zentraler Bestandteil des Films sind ausführliche Interviews mit Rides langjähriger Lebensgefährtin Tam O’Shaughnessy. Ihre Aussagen sind offen, mitunter bewegend und liefern intime Einblicke in Sallys Leben jenseits der Öffentlichkeit. Doch auch diese emotionalen Momente werden häufig in visuell reizlosen Einstellungen gezeigt, was das Potenzial der Erzählung schmälert.
Ähnlich werden auch andere Stimmen inszeniert – Familienmitglieder, Kolleginnen und Kollegen aus dem Astronautenteam teilen Erinnerungen, bleiben dabei aber in traditionellen Interviewformaten gefangen. Die formale Zurückhaltung der Regisseurin steht im Widerspruch zur Einzigartigkeit der porträtierten Frau.
Dabei war Sally Ride selbst ein sehr privater Mensch, der seine persönliche Identität bewusst im Verborgenen hielt. Die Dokumentation deutet an, dass Sallys Verschwiegenheit auch ein Schutz war – geprägt von den Erfahrungen anderer prominenter Frauen wie ihrer Freundin Billie Jean King, deren gleichgeschlechtliche Beziehung einst öffentlich wurde und negative Folgen hatte. Ride entschied sich deshalb für Diskretion, sowohl beruflich als auch privat.
„Es hat mir wehgetan, aber ich glaube nicht, dass es Sally wehgetan hat“, sagt eine frühere Partnerin in einem der wenigen emotional direkten Momente des Films. Auch Sallys Mutter, Joyce Ride, bleibt in ihrer Haltung konsequent. Als sie gefragt wird, warum ihre Tochter so verschlossen gewesen sei, antwortet sie trocken: „Das geht Sie nichts an.“ Eine Reaktion, die durchaus im Sinne ihrer Tochter gewesen wäre.
„Sally“ ist zweifellos eine wichtige Erinnerung an eine außergewöhnliche Frau, deren Lebenswerk viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Doch so zurückhaltend wie Sally Ride selbst auftrat, so vorsichtig nähert sich auch dieser Film seiner Heldin – und verpasst dabei die Chance, ihre Geschichte mit dem gleichen Mut zu erzählen, mit dem sie einst ins All aufbrach.